Ich mag Sprache. Ich mag unterschiedliche Sprachen und würde gerne mehr können. Ich habe immer versucht, wenigstens ein bisschen was zu lernen, wenn ich verreist bin und kann jetzt auf Russisch sagen, dass ich schlecht Russisch spreche, was stark untertrieben ist, auf Arabisch, dass ich müde bin und auf Hebräisch: ich weiß nicht. Und noch vielerlei Schnipsel mehr.
Eigentlich finde ich, dass diese Turmbau zu Babel- Geschichte, bei der Gott den Menschen die Sprachen verwirrt hat, zum allgemeinen Verständnis nur beitragen könnte. Wenn man es als Bereicherung nimmt. Manche Vorgänge kann man in einer Sprache mit einem einzigen Wort beschreiben. Zum Beispiel, wenn du nach einem Tag am See die Luft wieder aus dem mühsam aufgepusteten Einhorn rauspressen musst. Ganz elegant sagst du auf Englisch: I deflate the unicorn. Dabei siehst du sämtliche Bilder im Kopf, die das zeigen, genau. „die Luft rauslassen“ beschreibt das einfach nicht so gut, das ist zu passiv für diesen Vorgang. No no, you deflate it! Jede*r, die/der schon mal ein aufgeblasenes Einhorn wieder zusammenfalten sollte, weiß, wie anstrengend das ist. Du musst die Verschlussköpfe, die du vorher im Einhorn versenkt hast, wieder herauspopeln, dann beide Ventile zusammendrücken, damit die Luft herausströmen kann und gleichzeitig die Luft rausdrücken. Das heißt am Ende rollst du auf und um das Gummitier geschlungen am Boden herum und versuchst, mit deinem Körper möglichst viel zu quetschen, während du mit beiden Händen die Ventile drückst. Es ist wunderbar. You deflate it. No thanks. YOU deflate it!
Sich verlieben – auf französisch “fällt man verliebt“, tomber amoureux. Und das tombe ist das Grab.
„Wo die Liebe hinfällt…“ sagst du im Deutschen. Ja, wo sie hinfällt, da…? Was denn? Liegt sie dann da und kann nicht mehr aufstehen? Arme Liebe. Und würde sie bleiben, wenn sie nicht hingefallen wäre? Ist nur gefallene Liebe von Dauer? Und fällt sie nur, wenn sie „aus der Reihe tanzt“? Ein altes Sprichwort meint, „wo die Liebe hinfällt, bleibt sie liegen, und wenn´s ein Misthaufen ist.“ Das klingt ein bisschen hämisch, und „Häme“ wiederum ist ein Synonym für „Schadenfreude“.
Schadenfreude scheint eine deutsche Erfindung zu sein, denn ein wirklich zutreffendes Synonym gibt es in vielen Sprachen nicht – gab es dieses Gefühl dort nicht, ehe das Wort aus dem Deutschen übernommen wurde?
Sensibel mit Sprache umzugehen, bedeutet für mich auch, Veränderungen zuzulassen. Sprache ist ein lebendiger Organismus, der in Symbiose mit uns lebt.
Am Anfang war das Wort, Sprache schafft Realität. Und Gendern beispielsweise verändert die Welt im Großen und Ganzen zum Besseren. In einer Studie, in der Teenager*innen gefragt wurden, was sie werden wollen, wurden zwei Listen vorgelegt. In der einen stand nur das generische Maskulinum. Und tatsächlich kreuzten die weiblich gelesenen Teilnehmerinnen weniger „Pilot“, „Chirurg“ oder „Richter“ an, als auf der Liste, in der eine männliche und eine weibliche Form aufgeführt waren. Mitgemeint ist halt nicht unbedingt mitgedacht.
Gar betrüblich dünkt das so manch braven Bürger, dessen Seelenfrieden vom Gendersternchen bedroht wird. Frauen sind bei Bürger mitgemeint. Zumindest die, die sich angesprochen fühlen wollen. Trad wifes zum Beispiel, die gerne zurück bis mindestens in die 50er Jahre möchten, wo noch nicht alles so kompliziert divers sein durfte.
Naja. Ich für meinen Teil mache gerne mit beim Gendern und lasse mich von meinen Kindern korrigieren, wenn ich es vergesse.
Andere sagen vielleicht: „den Teufel werd ich tun“. Und das bedeutet, dass sie es auf gar keinen Fall auch nur in Betracht ziehen wollen.
Wenn ich nun den Teufel tue, dann mache ich ja eigentlich nichts, oder?
Aber mit Nachdruck. Aktiver kannst du vermutlich nicht nichts tun.
In Teufels Küche kannst du ja auch kommen. Heißt es. Ich möchte schon gerne mal da hin. Ich stell es mir gemütlich vor. Irgendwie ist der Teufel ja sympathisch, der sitzt da im Sessel und will eigentlich seine Ruhe und machen, was er will. Aber dann kommt die Großmutter, und die hat ihre eigenen Regeln. Die sind zwar ganz verdreht, aber leider auch streng, du musst genauso ernsthaft das Gegenteil machen wie die Frommen ihres. Beides gleich anstrengend. Und der Teufel will nicht. Er macht das nicht, was die Großmutter ihm sagt. Und dann motzen alle, die Menschen, die Großmutter, die Engel…Und er ist ganz allein und macht was er will. Sitzen bleiben in seinem Sessel am Feuer. Zu allem, was ihm die anderen antragen, sagt er: den Teufel werd ich tun.
Und dann? Darf dann alles sein? Haben dann alle Gefühle Platz, das laute Heulen, das Lachen, das Sehnen, das Lieben, das Wüten? Und Hass und Schuld braucht es gar nicht, wenn alles sein darf? Oh, wenn ich nur in Teufels Küche kommen könnte und da wohnen!
Okay, eigentlich sollte ich mir das lieber nicht wünschen. Vermutlich stinkt es einfach, das Essen ist schlecht, man wird übel gelaunt und mosert. Und schon ist man drin im „Teufelskreis“.
Lustigerweise gibt es im Französischen auch genau das Gegenteil davon, den „Engelskreis“, cercle vertueux.
Das Wort würde ich gerne übernehmen. Es macht gute Laune: eine unweigerliche Aufwärtsspirale, in die man sich stürzen kann wie in ein tolles Riesenrad.
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